Bye Bye Führungskraft! Die Babybauch-Behinderung …
Wir beschweren uns über den Mangel an Vereinbarkeit von Baby & Business bzw. Kind und Karriere. Ist diese Beschwerde berechtigt? Lasst mich euch von dem erzählen, was mir vor der Selbstständigkeit widerfahren ist. Heute lache ich darüber, damals war ich voller Wut.
Als ich im April 2015 merkte, dass ich schwanger bin, reagierte ich ziemlich gefasst. Ich hatte es irgendwie gespürt und es fühlte sich an, wie das natürlichste der Welt. In meiner damaligen Position als Vertriebsleiterin einer 3D-Drucker-Firma hätte mich die Schwangerschaft trotz Freude beunruhigen können: Wie würde mein Chef auf diese Überraschung reagieren? Was bedeutet das für meine Karriere? Wenige Tage zuvor war unerwartet der unbefristete Vertrag mündlich ausgesprochen worden – würden meine Chefs ihre Meinung ändern?
Naiv und optimistisch, wie ich war, glaubte ich an nichts Böses. Ich ging zur Arbeit und erzählte von der Schwangerschaft. Erst sah es so aus, als bliebe alles beim Alten – aber weit gefehlt! Resultat: Mein Chef zögerte monatelang, mir den unbefristeten Vertrag schriftlich auszustellen und lud mich dann auf einen Termin im Büro der Geschäftsleitung ein. Hier sollte ich erklären, wie ich mir die Wiedereingliederung nach der Geburt vorstellen würde.
Naiv, wie ich war, überlegte ich mir einen ausgeklügelten Wiedereinstiegsplan mit einer flexiblen Kombination aus Präsenzzeiten und Home Office und schrieb detailliert auf, wie die ersten 12 Monate nach dem Beschäftigungsverbot ablaufen sollten. Ich malte mir aus, dass es kein Problem sei, eine Abteilung zu leiten, wenn wir die Meetings einfach in den Präsenzzeiten machten und die Mitarbeiter mich ansonsten per Mail oder telefonisch kontaktierten.
Da hatte ich aber die Rechnung ohne meinen Chef gemacht !!!
Es klang in seinen Ohren vielleicht alles etwas exotisch oder gar utopisch (flexible Arbeitszeiten, Home Office, Vertriebsleitung mit Baby). Der junge Mann (jünger als ich!!!) schien reichlich überfordert, mit meiner Begeisterung umzugehen.
Ich wollte nämlich nach 2 Monaten unbedingt wieder zurück an den Arbeitsplatz, wenn auch in den ersten Wochen nur mit 9 Stunden Präsenzzeit in der Woche.
Auf seiner Stirn stand ganz klar: “Wie rede ich ihr das aus?” Er druckste herum, erzählte dann von seiner schönen Kindheit mit seiner Mutter, die seine komplette Kindheit über Zuhause war.
Er musste gar nicht mehr weiter reden, ich wusste schon, wohin die Reise geht.
Dann meinte er, ich solle meine Ideen per Mail genauer darstellen (am besten in einer Tabelle) und ihm diese zusenden. Er werde mit mir einen weiteren Termin vereinbaren und dann die Details mit mir und den Kollegen besprechen – so die Aussage.
Am selben Tag erhielt er eine engagierte Mail von mir, die 6 Wochen lang unbeantwortet blieb.
Reichlich frustriert von dem Handeln des Geschäftsführers wurde ich ungeduldig. 6 Wochen ohne Antwort kommt einer Folter gleich, besonders, weil ich ihn mittlerweile sehr gut kannte. Ich wusste, er verdrängt die Sache gerade, weil sie ihm unangenehm war. Dies konnte nur bedeuten, dass mit der vertraglichen Versprechung irgendwas nicht mehr stimmte.
Ich mailte ihn an, mit der Bitte um einen Termin und wurde 2 Wochen später zu einem Meeting in weiteren 2 Wochen eingeladen. 😀 Der Typ prokraszinierte intensiver, als jeder mir bekannte Mensch zuvor. Mir hätte es völlig genügt, die Wahrheit zu hören, um damit klar zu kommen. Diese Warterei machte mich verrückt!
Endlich! Der Tag des Meetings kam und der Termin war bedeutend kurz. Mein Vertrag bleibe befristet und liefe zum Jahresende aus. Ich hätte danach keinen Anspruch mehr auf meine alte Stelle in der Leitung. Man könne mir jetzt aber einen Job als Texterin in der Marketingabteilung anbieten – zu Anfang als Minijob.
Ich zitterte. Nicht vor Angst, sondern vor Wut. Ich hatte das Unternehmen mit meiner Arbeit zu 100% vor dem Absturz im Endkunden-Geschäft gerettet, das wusste ich. Das ganze Lob über meine Arbeit und meine Fähigkeiten und das Vertrauen, dass die Führung in mich setzte, waren passé. Da rutschte er mir raus: “Ich bekomme ein Baby und keine Behinderung! Gebt mir einen eigenen Raum vor Ort, ich kann das Baby auch mitnehmen und den ganzen Tag bleiben.”, sagte ich in meiner Verzweiflung und merkte dann, dass ich mich selbst zum Affen machte.
Ich war raus. ByeBye Karriere. Weg vom Fenster – aus der Traum. Ich brauchte sicherlich 4 Wochen, um mich von dem Schock zu erholen. Die Zeit drängte, sodass ich meinen (bereits von meinem Chef bestimmten) MÄNNLICHEN Nachfolger (der allerdings nicht so fähig war, wie die von mir angelernte Kollegin!) in seine Tätigkeiten einführte und über einen langen Zeitraum versuchte, sein Verständnis für meine Tätigkeiten zu wecken. Der ernannte Kollege hatte mir stets gesagt, er wäre viel lieber in einer anderen Abteilung und würde nicht für immer bleiben wollen. Aber dem Chef war er wohl lieber als eine andere FRAU…
Nach dieser Geschichte ging ich zu einer Berufsberaterin aus Hannover. @Nicole Beliérès (Sichtwechsel) erklärte mir, ich sei in der Wurzel meiner Person eigentlich Gründerin und Geschäftsführerin – ich solle mir in der Elternzeit etwas eigenes aufbauen. Bauch-Pinselei oder ernst gemeint? Egal, ich begann, nach Chancen und Möglichkeiten zu suchen, die ich auch fand. Den Kopf in den Sand zu stecken und um Mitleid zu betteln, hatte mich noch nie nach vorne gebracht.
Fast forward … Dann kam mein Sohn zur Welt und machte mich zu einer anderen Person … weniger Schlaf, Schmerzen, Endorphine, die ersten 3 Wochen waren hart und gleichzeitig schön. Er machte es mir wirklich einfacher, als ich es erwartet hatte (DANKE SCHATZ :-* )
Dennoch – Nach 3 Wochen begann ich, wieder zu arbeiten … als Texterin JA. Aber nicht für den Saftladen von 3D-Drucker-Firma. Sondern nebenbei in der Musikindustrie. Künstlerbiografien und EPKs, das war mein Ding. 3 Stunden am Tag am Rechner, den Rest vom Handy aus, wenn der Kleine schlief.
Heute weiß ich, dass die alte Firma dumm war und dass ich im Recht war. Du bist immer im Recht, wenn du an dich glaubst. Wenn du glaubst, dass du etwas kannst, dann kannst du es auch. Die Wahrscheinlichkeit, dass es schwierig wird, ist immer gegeben. Aber es sollte dich nicht davon abhalten, es wenigstens zu versuchen. Sonst hast schon verloren, bevor du es versucht hast.
Mach nicht den gleichen Fehler, wie ich. Sei erst ehrlich zu deinem Chef, wenn du den Vertrag Schwarz auf Weiß hast. Vertraue nicht zu sehr, Geschäft ist und bleibt wohl immer Geschäft. Aber schäme dich niemals für eine Schwangerschaft und bereue sie niemals. Und hör niemals auf, an dich zu glauben. Du bist es wert, respektiert zu werden, egal in welchem Zustand. Und dein Kind auch.
Wenn ich den Typen heute sehe und weiß, was einige Leute über ihn denken (werden), dann ist das schon Strafe genug 😀
Seid gedrückt,
Tatjana
Eine Antwort zu „Bye Bye Führungskraft! Die Babybauch-Behinderung …“
[…] eine Nachricht von meiner ehemaligen Karriereberaterin Nicole Bélières. Sie hatte mich im Jahr 2015 unterstützt und meinte, ich wäre vom Typ her eine Unternehmerin. Nun, fast 3 Jahre und ein […]
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